RÖMISCHE TISCHSITTEN


Aus dem römischen Köln stammt die hier vorgestellte Terra Nigra-Flasche mit nach außen gebogenem facettierten Rand. Genauere Angaben in den Jenaer Ortsakten lassen sich nicht finden. Vermutlich kam das Objekt durch Ankauf Ende des 19./Anfang des 20. Jhds. in den Besitz des damaligen Germanischen Museums.

Bei dem Begriff Terra Nigra handelt sich um ein wissenschaftliches Kunstwort und keinen historisch verbürgten Begriff, was für die wesentlich bekanntere Terra Sigillata (TS) in gleichem Maße gilt. Innerhalb der wissenschaftlichen Diskussion wird diese Art der Terra Nigra Keramik als "Belgische Ware" bezeichnet. Es wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass dieser Begriff problematisch ist, da die Produktion in verschiedenen Gegenden Galliens erfolgte und nicht ausschließlich in der nordgallischen Provinz Belgica. Allerdings ermöglicht diese Definition eine Abgrenzung zur spätantik/völkerwanderungszeitlichen Terra Nigra. Die Gefäße sind alle sehr sorgfältig gefertigt und oft poliert. Sie werden entweder händisch aufgebaut oder auf der Töpferscheibe hergestellt. Der zumeist verwendete blauschwarze, hellgraue oder grauschwarze Ton wird im Ofen von einer Schmauchschicht überzogen, die durch das Zuführen von Rauch während des Brennprozesses erreicht wird. Die abgebildete Flasche besitzt auf der Gefäßschulter einen umlaufenden Zierstreifen aus senkrechten Linien, der bei der Herstellung mittels eines Rollstempels in den feuchten Ton gedrückt wird. Die Gefäße der Belgischen Ware verdrängen die einheimischen spätlatènezeitlichen (jüngster Abschnitt der vorrömischen Eisenzeit) Gefäße ungemein schnell. Das sehr breite Formenspektrum, das auch regionale Muster und Formen einbezieht, dürfte sicherlich zur Beleibtheit dieser Gefäße beigetragen haben. Das abgebildete Stück offenbart eine Verbindung einheimischer und römischer Flaschenformen, die in diesem Fall sehr stark miteinander verzahnt sind.

Terra Nigra Geschirr ist aufgrund der sehr weitreichenden Distribution römischer Geschirrsätze auf großen Teilen des europäischen Kontinents und selbst in England zu finden. Gefäße der belgischen Ware sind v. a. in der 1. Hälfte des 1. Jhd. im Umlauf. Sie treten im 2. und 3. Jhd. AD noch selten in Erscheinung und werden anschließend von der Firnis-Ware als Trinkgeschirr abgelöst.
Die Reichweite der römischen Expansion und v.a. ihr kultureller Einfluss lässt sich hier ausschnitthaft beobachten, da sich aus dem schnellen, tiefgreifenden Wandel innerhalb der Formen- und Verzierungselemente auch ein Wandel innerhalb der lokalen Tischsitten hin zu denen römischer Prägung fassen lässt. Die rasch voranschreitende Romanisierung kann hier skizzenhaft an einer Objektgattung beobachtet werden, die stellvertretend für gesellschaftliche Wandlungsprozesse steht. - Eine Entwicklung, die mit dem Feldzug gegen die linksrheinisch siedelnden Gallier durch Gaius Iulius Cäsar (*100 ,†44 BC) im Herbst 58 BC, beginnt und im Wesentlichen mit den gescheiterten Germanien-Feldzügen unter Tiberius (14-37 AD) ein Ende findet. Einen kulturellen Austausch zwischen den römischen Provinzen und dem später als Germania Magna bezeichneten Gebiet hat es, gerade in den Grenzregionen, in einem beträchtlichen Umfang gegeben.

Innerhalb der ur- und frühgeschichtlichen Sammlung der Friedrich-Schiller-Universität lassen sich knapp 200 Objekte finden, die sich dem zeitlichen Abschnitt der Römischen Kaiserzeit zuordnen lassen. Dabei handelt es sich v.a. um römische Keramikgefäße, die beispielsweise aus dem Kastell Saalburg (Hochtaunuskreis, HE) oder auch aus dem Legionslager Neuss (Castrum Novaesium, Rhein-Kreis Neuss, RP) stammen

Literatur:
E. Gose, Gefäßtypen der römischen Keramik im Rheinland (= Beiheft Bonner Jahrbücher 1). Bonn 1950.
H. Bernhard, Studien zur spätrömischen Terra Nigra zwischen Rhein, Main und Neckar. SaalbJB 40/41, 1984/85, 34-120.
G. Wieland, Spätkeltische Traditionen in Form und Verzierung römischer Grobkeramik. FBerBadWürt 18, 1993, 61-70.
B. Rudnick, Die römischen Töpferöfen von Haltern. Bodenaltertümer Westfalens 36 (Mainz 2001).
J. Metzler, Das treverische Oppidum auf dem Titelberg (G.-H. Luxemburg). Zur Kontinuität zwischen der spätkeltischen und der frührömischen Zeit in Nordgallien. Dossiers d'Archeologie du Musee National d'Histoire et d'Art III. (Luxemburg 1985).
P. Webster, Roman samian pottery in Britain. Practical Handbooks in Archaeology 13 (Walmgate 1996).
M.-D. Waton, Céramiques gallo-belge et fumigée au Pontifferoy a Metz. Revue archéologique de l'Est et du Centre-Est 38, 1987, 223-233.

Online-Ressourcen:
Potsherd: Atlas of Roman Pottery URL: potsherd.net/atlas/potsherd am 28.06.2017.
Belgische Terra Nigra URL: www.antike-tischkultur.de/keramikbelgischschwarz.html am 28.06.2017.

Inventar-Nr.: 19654
Zeitstellung:    1. Hälfte 1. Jhd. AD
Material: sehr fein gemagerte Keramik, reduzierend klingend hart gebrannt, im Kern hellgraue Färbung (Farbe: anthrazitgrau bis schwarz)
Oberfläche: sorgfältig geglättet und poliert
Verzierung: umlaufender Zierstreifen aus senkrechten Linien
Maße: Höhe 15,5 cm, Mündungsdm. 7,7 cm, Bodendm. 7,0 cm

Michael Marchert M. A.