GEWANDSCHMUCK AUS NORDITALIEN


Im Jahre 1903 gelangte ein Teil der Antikensammlung des Italieners Compagnoni Natali durch die Vermittlung der 1902 gegründeten Gesellschaft für Urgeschichte zu Jena in den Besitz des Germanischen Museums der Universität Jena. Compagnoni Natali war durch einen Gerichtsprozess und die damit entstehenden Kosten gezwungen, seine Sammlung zum Kauf anzubieten. Max Verworn vermittelte das Angebot an das Germanische Museum. Schließlich konnte Otto Schott als Mitglied der Jenaer Gesellschaft für Urgeschichte zur Bereitstellung und Stiftung der Kaufsumme von 1800 Lire gewonnen werden. Er selbst verband den Kauf und die Übernahme der Stücke mit einer Reise ins Picenum und auch nach Montegiorgio. Der Erwerb der Stücke erregte in gelehrten Kreisen Italiens großes Aufsehen und war nicht unumstritten. Dennoch konnten Schott und Compagnoni  die erforderlichen Genehmigungen und Papiere erwirken und auch die anfallenden Gebühren entrichten. 1903 wurden die Funde erstmals ausgestellt und in den folgenden Jahren als Teil der "Europa-Sammlung" des Germanischen Museums präsentiert. 1967/68 erfolgte die Schließung des Museums im Zuge der 2. Hochschulreform der DDR.

Erst mit der Ausstellung in der SCHOTT Villa im Jahr 2004 wurde die Kollektion einer breiten Öffentlichkeit wieder bekannt gemacht. Die wissenschaftliche Bearbeitung erfolgte in einem deutsch-italienischen Kooperationsprojekt von Prof. Dr. Peter Ettel und Prof. Dr. Alessandro Naso, die Schmuck- und Trachtausstattung war Gegenstand der Magisterarbeit von Stefan Seidel. Im Jahr 2006 wurde die Sammlung im Rahmen des von der Europäischen Union geförderten Projekts "Piceni and Europe - The Role of a Prehistoric Community in the Shaping of European Cultural Heritage" in Ausstellungen in Slowenien und Italien gezeigt.

Zu der Sammlung gehört auch diese bronzene Kahnfibel mit langem Fuß und Kettengehänge aus Grab 49. Sie weist einen mit parallelen Linien verzierten, rhombischen Bügel auf. Die Übergänge zum Fuß und zur Spirale sind mit Querrippen verziert. Das Kettengehänge setzt sich aus bronzenen Gliedern zusammen und ist mit einem Spiralring an der Nadel befestigt. Der obere Abschluss des Gehänges wird durch eine anthropomorphe Figur gebildet, an deren stilisierten Armen Muskeln und Hände angedeutet sind. Die Arme stehen im rechten Winkel zum Körper der Figur und halten sieben Doppelkettchen, die mit gegossenen Anhängern abgeschlossen werden. Die Fibel ist sehr gut erhalten, lediglich die Nadel weist einen Bruch auf und das Ende des Nadelhalters fehlt.
Die Fibel stammt aus Nordostitalien und wird dem Typ Este zugeordnet, in dieser Region liegt auch ihr Verbreitungsschwerpunkt. Gewandverschlüsse dieser Art sind besonders aus reichen Frauengräbern bekannt und werden an das Ende des 7. bis in die erste Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. datiert. In dieser Zeit gehören Kahnfibeln, ob mit oder ohne Gehänge und in unterschiedlichen Größen, zur üblichen Trachtausstattung. Die Fibeln wurden im Bereich des Oberkörpers getragen und kommen sowohl mit als auch ohne Schmuckgehänge vor, gelegentlich tragen sie auch ein Pektorale.

Literatur:
M. Guštin (Hrsg.),Piceni ed Europa (Koper 2006).
P. Ettel/A. Naso (Hrsg.), Schätze aus dem Picenum: eisenzeitliche Grabbeigaben aus Mittelitalien. Die Otto-Schott-Sammlung der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Weimar u. a. 2004)
P.Ettel / A.Naso (Hrsg.), Montegiorgio. Die Sammlung Compagnoni Natali in Jena. La collezione Compagnoni Natali a Jena (Jena/Langenweissbach 2006).

Inventar-Nr.: 8394
Zeitstellung: Ältere Eisenzeit bis Hallstattzeit (Ende 7. Jh. v. Chr. - erste Hälfte 6. Jh. v. Chr.)
Material: Bronze
Maße: Länge Fibel 17 cm; Länge Gehänge 35 cm

Ann-Cathrin Schüler und Daniel Scherf, M.A.