VON DER POSITION DER STERNE


Die Positionsbestimmung von Sternen und die Zeit- und Ortsbestimmung waren über Jahrhunderte die wesentlichen Aufgaben der »klassischen« Astronomie. Als eines der wichtigsten Instrumente dafür galt lange Zeit der Quadrant - ein Viertelkreis mit Visiereinrichtung und Gradeinteilung.

Der dänische Astronom Tycho Brahe (1546-1601) gilt als ein Meister astronomischer Meßkunst. Auf seiner Sternwarte »Uraniborg«, die von 1576 bis 1580 erbaut worden war, nutzte er den großen Quadranten von 1587 mit einem Radius von 2 Metern, der mit dem Gebäude fest verbunden und nach Süden ausgerichtet war. Ohne Fernrohr - das wurde erst zwei Jahrzehnte später erfunden - erreichte er bei seinen Höhenmessungen von Gestirnen im Meridian de facto eine Meßgenauigkeit von etwa 10 Bogensekunden.
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden bei Mauerquadranten auch Fernrohre als Visiereinrichtung eingesetzt. Weil aber die Gradskala immer noch mit bloßem Auge abgelesen wurde, blieben die Radien der Quadranten im Bereich einiger Meter. Als Lupen zum Ablesen der Skalen genutzt wurden, sind auch Mauerquadranten mit etwa 1 m Radius hergestellt worden.
Diese Geräte galten jahrzehntelang als Hauptinstrumente an Sternwarten, bis sie um die Mitte des 18. Jahrhunderts mehr und mehr von den Meridiankreisen abgelöst wurden.

Einer der Instrumentenbauer war Johann Christian Breithaupt (1736-1799), der in Kassel eine Werkstatt zur Herstellung geodätischer und astronomischer Meßgeräte gegründet hat - eine Fertigungsstätte, die auch heute noch eine umfangreiche Produktpalette von Präzisionsmeßinstrumenten herstellt. Der Firmengründer hat 1785 einen großen Mauerquadranten aus Messing mit einem Kreisradius von 196 cm gebaut. Breithaupt stand im Dienst Friedrichs II. (1720-1785), Landgraf von Hessen-Kassel, der im Zwehrenturm des Museum Fridericianum das 1560 gegründete astronomische Observatorium betrieb. Der große Mauerquadrant von Breithaupt in Kassel. Dort wurde der Mauerquadrant installiert, ehe er 1935 in das Hessische Landesmuseum gebracht wurde.

Im Jahr 1789 lieferte Johann Christian Baumann einen Mauerquadranten an den Freiherrn von Zach, den Direktor der Gothaer Herzoglichen Sternwarte. Das Instrument besaß zwei Fernrohre, ein feststehendes zur Kontrolle der Aufstellung von 81 cm und ein bewegliches, auf das Meßobjekt einstellbares, von 100 cm Länge und einer Öffnung von jeweils 4 cm. Der Radius der Skala beträgt 61 cm, sie teilt den Quadranten sowohl in 90°, wie üblich, als auch als Parallelskala in 96 Teile, weil die Kreisteilung hierbei mit kleineren Fehlern behaftet war - erst war in drei Teile zu teilen, dann konnte immer halbiert werden.
Durch die Möglichkeit, die Skalen mit Nonius mit einer Lupe abzulesen, war die gleiche Meßgenauigkeit gegeben, wie sie bei den großen Quadranten bei Ablesung mit bloßem Auge erreicht worden war.

In der in Gotha von Ernst II. (1745-1804) eingerichteten Sternwarte auf dem Seeberg von 1789 waren in einem Raum ein südlicher und ein nördlicher - das heißt ein nach Süden und ein nach Norden zeigender - Mauerquadrant aufgestellt. Hier haben mit dem Instrument neben Franz Xaver von Zach (1754-1832), dem ersten Direktor der Sternwarte, unter anderen Johann Friedrich Gottlieb Bohnenberger (1765-1831), Johann Pasquich (1754?-1829), Carl Friedrich Gauß (1777-1855), Bernhard August von Lindenau (1779-1854) und Franz Friedrich Wilhelm Bessel (1784-1846) gearbeitet. Die Teilnehmer des ersten internationalen Astronomenkongresses, der in Gotha im Jahr 1798 stattfand, haben ihn kennengelernt, unter ihnen Joseph-Jérôme de Lalande (1732-1807) mit Nichte und Cousin, Johann Elert Bode (1747-1826), Johann Friedrich Wurm (1760-1833) und George Butler (1774-1853).

In einem Brief vom November 1816 ist unter den Instrumenten der Gothaer Sternwarte kein Mauerquadrant aufgeführt. Eine Inventarliste von 1826 enthält den Eintrag »24zölliger Quadrant mit festem und beweglichem Fernrohr (von Herzog August nach Jena verschenkt)«. Das Instrument diente 1813 als Geschenk des Herzogs Emil Leopold August von Sachsen-Gotha-Altenburg (1772-1822) an den Initiator der Errichtung der Herzoglichen Sternwarte in Jena, Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach (1757-1828) anläßlich der Eröffnung der Jenaer Sternwarte.

Der Mauerquadrant sollte schon damals instand gesetzt werden, was aber nie geschah. Er ist in Jena um die Mitte der 1950er Jahre unsachgemäß restauriert worden. Für wissenschaftliche Arbeiten ist der Jenaer Mauerquadrant nicht genutzt worden, er diente aber in Lehrveranstaltungen zu Demonstrationszwecken.

Dr. Reinhard E. Schielicke