1525: GEORG SPALATINS HOCHZEIT MIT HINDERNISSEN


Das Leben von Georg Spalatin, den man den "Steuermann der Reformation" genannt hat, begann und endete beinahe am selben kalendarischen Tag: Am 17. Januar 1484 wurde er im mittelfränkischen Ort Spalt, nach dem er sich nannte, geboren. Am 16. Januar 1545 - also vor 475 Jahren - starb er an seiner langjährigen Wirkungsstätte Altenburg.

Spalatins Spuren begegnet man im Altbestand der ThULB Jena häufig, insbesondere in den Beständen der vormaligen Wittenberger Kurfürstlichen Bibliothek (Bibliotheca Electoralis), deren frühere Jahre er als Bibliothekar und Organisator maßgeblich prägte. Zu erwähnen ist auch, dass nach Jena Bücher Altenburger Klöster gelangt sind, deren Sequestration sich gleichfalls mit Spalatin, dem Altenburger Pfarrer, verband. Vor allem aber besitzt die ThULB eine größere Sammlung eigenhändiger Briefe Spalatins, unter ihnen das Objekt des Monats.

Die Foliohandschrift Ms. App. 2 besteht aus 107 zusammengebundenen Autographen. Bis auf vereinzelte Ausnahmen handelt es sich um Briefe Spalatins, die in der Regel an den kursächsischen Rentmeister und Hofmarschall Hans von Doltzig († 1551) adressiert sind. Die datierbaren Stücke stammen aus der Zeit zwischen 1514 und 1539/40. Beschädigungen sind teils mit Papier hinterlegt; kleinformatige Briefe sind auf Papierblätter geklebt. Es muss offenbleiben, wann die Sammlung in dieser Weise in die Buchform kam. Möglicherweise geht dies bereits auf ihren Vorbesitzer, den Jenaer Geschichtsprofessor Caspar Sagittarius (1643-1694), zurück. Aus einer Bemerkung Veit Ludwig von Seckendorffs (1626-1692) geht hervor, dass Sagittarius die Briefe gegen Ende des 17. Jahrhunderts in Saalfeld aufgefunden hatte. Spätestens zusammengebunden wurden sie in der Jenaer Bibliothek, die Sagittarius' Bücher einschließlich der Handschriften nach seinem Tod erwarb. Sein Schüler Christian Schlegel (1667-1722) erwähnt in seiner 1693 in Jena gedruckten "Historia Vitae Georgii Spalatini" einige der Briefe und nennt Sagittarius als Besitzer. 1899 publizierte der Theologe Paul Drews (1858-1912) eine Transkription der Briefe in chronologischer Reihung (s.u.; in Ms. App. 2 sind sie ungeordnet). 2018 wurde die Handschrift digitalisiert.

In den Briefen an Doltzig spricht Spalatin allerlei zu regelnde Dinge an und findet oft auch Worte zu konfessionellen Problemen oder allgemeinen Missständen in Altenburg und anderswo; das persönliche Befinden bleibt nicht ausgespart: "Das ich die schnuppen, fluß vnd husten zu sempt dem heissern so schwerlich habe das ich weder reden noch ichts anders schier itzt thun kann." (15.8.1525 an Doltzig; Drews 1899, S. 79). Somit sind die in Jena erhaltenen Briefe ein wertvolles Zeitzeugnis, dessen eingehende Auswertung indes noch aussteht.

Der Brief Nr. XVIII in Ms. App. 2 ist ein beidseitig beschriftetes Blatt, das Faltungsspuren und einen Wachsfleck, aber weder ein Datum noch eine Adressierung aufweist. Ob es sich daher um ein "Brieffragment, das wahrscheinlich nicht abgesandt wurde" (Drews 1899; s.u.: Transkription S. 82 f., Zitat S. 83), handelt, muss offenbleiben. Jedenfalls erschließt sich aus dem Inhalt, dass der Brief an Doltzig gerichtet ist und Spalatin ihn Ende Oktober oder Anfang November 1525 verfasste. Er äußert sich darin zu jenen beiden Themen, die ihn in dieser Zeit hauptsächlich bewegten: seine Hochzeit und seine Wut auf die Altenburger Verteidiger der katholischen Konventionen.

Spalatin hatte im August 1525 in Altenburg sein Amt als evangelischer Pfarrer angetreten. Die Stadt stand damals im Spannungsfeld zwischen aufkeimendem Protestantismus und der Gegenwehr der katholischen Gemeinschaften, insbesondere des Franziskanerklosters und des Georgenstifts. Da es Spalatins wesentliche Aufgabe war, die Reformation in Altenburg durchzusetzen, geriet er in den Fokus des Georgenstifts, dem er als Kanoniker angehörte. Der Streit kulminierte, als er am 19. November 1525 Katharina, eine Tochter des Altenburger Bürgers und Chorsängers Johannes Heidenreich bzw. Streubel († 1527; die Quellen nennen beide Nachnamen), heiratete. Dass erstmals ein Kanoniker ihres Stifts bzw. überhaupt ein Altenburger Geistlicher in den Stand der Ehe zu treten wagte, also den althergebrachten Zölibat missachtete, provozierte das Kapitel. Sofort forderte es Spalatin auf, die Ehe zu annullieren, bei Androhung des Entzugs seiner Pfründe. Der Beschuldigte reagierte mit scharfem Tadel, und die Stiftsherren mussten dem protestantischen Bürgermeister und Stadtrat Rede und Antwort stehen. Der Fall wurde Kurfürst Johann dem Beständigen (1468-1532) vorgebracht, dem auch Spalatin und Katharina jeweils persönlich schrieben. Im Januar 1526 bot das Stift zwar die Versöhnung an, doch schwelte der konfessionelle Disput weiter.

In seinem vor diesen Ereignissen geschriebenen Brief Nr. XVIII in Ms. App. 2 macht Spalatin seinem Ärger darüber Luft, dass die katholischen Altenburger Geistlichen kein "einsehen haben, das sie irer gottlosen Cerimonien absteen, oder zum wenigsten heymlich vnd mit verschlossen thuren, on Zulassung eyniger personen die irer versammlung nicht seind"; dies sei eine "lesterung Gottes vnd seines heiligen Euangelions". Und, konkreter: "Dann es beginnen etlich weiber hinauß auf die dorf pfarren zulauffen vnd das Sacrament wider Christi unsers lieben Hern vnd Seligmachers ordnung vnd aussatzung zuentfaen. Das Euangelion zu lestern, Christus ordnung zu tadeln. Des Babsts gesetz zuerheben vnd loben, vnd andere leut auch zuuerfurenn. Wie denn vermutlich von etlichen mennern auch geschiedt." Ähnliche Äußerungen finden sich in weiteren Briefen der Jenaer Sammlung.

Hauptanlass des Briefs ist Spalatins bevorstehende Hochzeit mit Katharina. Er bittet um Auskunft, ob er "als dann den nechsten gin Wittenberg oder zuuor gin Torgaw faren solt." Das sei terminlich schwierig, "weil es so kurtz vor meinem eelichen beylager ist". Zumal das Beilager, also die Hochzeit, schon einmal habe verschoben werden müssen - nunmehr "auf den Sontag Elisabeth" (19. November) -, ersucht Spalatin Doltzig um die Erlaubnis, die Eheschließung "mit Gottes hulff zuuor zu uolbringen", um zu verhindern, dass sie "ferrer vertzogen" würde. Sodann richtet Spalatin dem Kurfürsten seinen großen Dank für dessen kulinarische Unterstützung aus ("Der Churfurstlich befel des wilpreths halb zu meiner hochtzeit"). Spalatins Bitte um Reiseaufschub hatte Erfolg; die Hochzeit fand wie geplant am 19. November statt.

Nachträglich fügte Spalatin in seinen Brief eine Bemerkung zu Martin Luther ein: "Zu dem so ist wie ir wisst Doctor Martinus itz mit einer grossen arbeit beladen. Vnd wer doch villeicht nichts auß." Luther war zur Hochzeit eingeladen, musste allerdings absagen. Immerhin ließ er dem Paar eine Goldmünze als Geschenk zukommen, die einem Brief vom 6. Dezember beigelegt war. Darin scherzt Luther mit Blick auf die Namensgleichheit seiner und Spalatins Frau ganz unverblümt: "Wenn Du im Ehebett Katharina mit den süßesten Umarmungen und Küssen umfangen und dies gedacht haben wirst: "Siehe: Diesen Menschen, das beste Geschöpflein meines Gottes, hat mir mein Christus gegeben, ihm sei Lob und Ehre", werde auch ich, wenn ich den Tag abgeschätzt haben werde, an dem Du diese [Dinge] empfangen haben wirst, alsbald in jener Nacht in derselben Weise meine [Katharina] lieben, zu Deinem Gedächtnis, und Dir Gleiches mit Gleichem vergelten." ("cum in thoro suauissimis amplexibus & osculis Catharinam tenueris, ac sic cogitaueris: En hunc hominem, optimam creaturulam Dei mei, donauit mihi Christus meus, sit illi laus & gloria. Ego quoque, cum diuinauero diem, qua has acceperis, mox ea nocte simili opere meam amabo in tui memoriam & tibi par pari referam."; WA Br 3, S. 635, Nr. 952).

Signatur: Ms. App. 2

Ansprechpartner: Dr. Joachim Ott

LITERATUR:
Paul Drews: Spalatiniana, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 19 (1899), S. 69-98, 486-514 [ThULB-Suche]

Irmgard Höss: Georg Spalatin 1484-1545. Ein Leben in der Zeit des Humanismus und der Reformation, Weimar 1989 [ThULB-Suche]

Björn Schmalz: Georg Spalatin und sein Wirken in Altenburg (1525-1545), Beucha 2009 [ThULB-Suche]